Armin Ebner, BEHF Architects co-founder, in conversation with Hans Wenkenbach, Chief Operating Officer (COO), PORR AG and Christina Bärnthaler, founder and owner, OFROOM Innovations-Agentur for Falstaff LIVING. The three experts discuss the application of innovative building material.
Dank Digitalisierung und neuen Fertigungsmethoden werden die Baustoffe immer raffinierter. Eine Zeitreise durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – und warum wir uns am Ende aller Entwicklungen dann doch wieder nach Archaik und Bodenständigkeit sehnen.
LIVING: Haben Sie einen ganz persönlichen Lieblingsbaustoff?
BÄRNTHALER: Mein Lieblingsmaterial ist die technische Keramik. Das Material wird bei Bremsscheiben oder etwa bei Skisprungschanzen eingesetzt. Mich faszinieren die Dichte und die kompakte Oberfläche. Ich träume davon, ein komplettes Haus daraus zu bauen.
WENKENBACH: Ich liebe Holzschiffe. Besonders schön finde ich hochglanzlackierte Hölzer mit einer schönen Zeichnung, die in ihrem Finish fast schon etwas Glasiges und Porzellanartiges haben.
EBNER: Meine Favoriten sind spiegelnde Oberflächen. Man kann mit ihnen Illusionen erzeugen und auch schwierigen Räumen Kraft und Spannung verleihen. In der Geschichte gab es eine große Spiegeltradition. Im Laufe der Zeit ist diese Kultur bedauerlicherweise mehr und mehr zurückgegangen.
Wie hat sich der Materialeinsatz in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert?
EBNER: Ein großer Bruch in der gesamten Architektur und Baubranche war der Einsatz von Eisenbeton. Durch die Kombination aus Beton und Stahl als Bewehrung sind plötzlich filigrane Konstruktionen und große Tragweiten möglich geworden. Eisenbeton hat nicht nur den klassischen Hochbau geprägt, sondern auch den Brücken- und Tunnelbau komplett verändert.
WENKENBACH: Stahlbeton ist für ein Bauunternehmen wie die PORR absolut unverzichtbar, wie Sie sich vorstellen können. Stahlbeton macht sicherlich 80 Prozent unseres gesamten Bauvolumens aus. Was ich in den letzten Jahren beobachte, ist ein zunehmendes Bewusstsein für ökologische Baustoffe – also für die Materialien, die sowohl in der Produktion als auch im Gebäudebetrieb energie- und ressourcenschonend sind.
Frau Bärnthaler, Sie kennen die Entwicklung der Baustoffe so gut wie kaum jemand. Wo sehen Sie die größten Entwicklungsschübe?
BÄRNTHALER: Ein ganz großer Bruch war mit Sicherheit die Einführung von chemischen Baustoffen und neuen Produktkreationen in der Nachkriegszeit. Dazu zählen etwa Dispersion, Asbest, Faserzement, extrudierte Dämmstoffe sowie diverse Kunststoffe wie etwa PU-Schaum und PVC. In nur wenigen Jahrzehnten hat sich die Baubranche völlig neu erfunden. Damit sind viele Gefahren verbunden, die wir erst im Laufe der Zeit erkannt haben. Heute sind wir damit konfrontiert, dass wir viele Fehler von damals wieder rückgängig machen müssen. Der Trend – vor allem in den Innenräumen und im kleinvolumigen Bau – geht wieder zurück zu natürlichen Baustoffen wie etwa Holz, Lehm und Kalk.
EBNER: Wobei ich betonen möchte: Die Kunststoffe sind nicht vom Markt verschwunden! Ganz im Gegenteil, es gibt heute mehr Kunststoffe als je zuvor, allerdings achten wir darauf, dass sie in der Produktion und Nutzung ökologisch nachhaltig sind und auch konstruktiv und bauphysikalisch etliches aushalten. Das klassische Plastik wie in den Fünfziger- und Sechzigerjahren ist endgültig passé.
Mit der extrudierten Wärmedämmung und chemischen Verbundstoffen an der Fassade produzieren wir heute der Sondermüll von morgen. Was werden die Konsequenzen davon sein?
WENKENBACH: Erstens ist der klassische Vollwärmeschutz im Betrieb, also im Heizen und Kühlen, immer noch eine der effizientesten und energiesparendsten Fassaden. Und zweitens ist die klassische Vollwärmeschutzfassade mit Beton, Styropor und Putz immer noch die mit Abstand billigste Bauweise im Hochbau. Und so enden viele Bauten am Ende, wenn der Rotstift angesetzt werden muss, genau da.
EBNER: Das ist auch meine Beobachtung. Ich sehe, dass Architekten und Bauträger sehr oft ungewöhnliche und innovative Fassaden planen. Doch dann muss eingespart werden, und das passiert meist bei der Fassade.
BÄRNTHALER: Aber es gibt Hoffnung! Ich arbeite immer häufiger mit Architekten und Baumeistern zusammen, die bewusst auf chemische Baustoffe wie etwa Vollwärmeschutz und Dispersion verzichten. Und immer öfter sind es die Auftraggeberinnen und Kunden, die danach verlangen. Ich finde diese Entwicklung sehr erfreulich.
Bleiben wir bei der Hoffnung. Was sind denn die neuen, innovativen Materialien am Markt?
BÄRNTHALER: Vor zehn Jahren gab es einen Schub an Hochleistungsstoffen – wie etwa Vakuumdämmplatten, Hochleistungsputze oder Ultra-High-Performance-Beton, wie ihn beispielweise Rudy Ricciotti im Museum MuCEM in Marseille eingesetzt hat. Das ist ein extrem dichter und feinporiger Beton, der mit Kunststoff- oder Stahlfasern verstärkt wird.
Vakuumisolationspaneele sind im Bauen etwas sehr Exotisches.
BÄRNTHALER: Ja und nein. Vakuumplatten sind standardmäßig in jedem Kühlschrank verbaut. Sinn macht so eine Dämmplatte in Städten wie etwa München oder Paris, wo die Außenwände so dünn wie möglich gebaut werden müssen, weil jeder Quadratmeter Wohnnutzfläche zählt. In München sind die Immobilienpreise so hoch, dass so eine Vakuumfassade eine Amortisationszeit von nur fünf Jahren hat.
EBNER: Spannend finde ich, dass die Innovationen in der Baubranche immer zuletzt ankommen. Zuerst passieren die Innovationen in der Forschung, dann in der Automobilbranche, im Industrial Design und in der Modebranche, und erst zuletzt gelangen die neuen Werkstoffe, Erfindungen und Fertigungstechniken auch in der Baubranche. Wir sind eine vergleichsweise konservative und langsame Branche.
Herr Wenkenbach, was sind die Innovationen im Hoch- und Tiefbau aus der Sicht eines Bauunternehmens?
WENKENBACH: Die Innovationen in unserer Branche beschränken sich darauf, dass die Betone immer fester und immer dichter werden und auch immer schneller aushärten. Zeit ist Geld. Aber ich sehe eine ganz andere, sehr wichtige Entwicklung in unserer Branche. Ich erkenne, dass einige Bauherren dazu tendieren, wieder Geld in die Hand zu nehmen und bereit sind, Wertigkeit ins Bauen zurückzubringen. Denn sie haben verstanden: Alles, was wir heute billig bauen, wird den ganzen Lebenszyklus über billig und minderwertig sein.
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
WENKENBACH: Im Palais Hansen haben wir sehr hochwertige Baustoffe wie etwa Messing, Naturstein und Sternparkett eingesetzt. Natürlich kostet das pro Quadratmeter mehr als ein normaler Wohnbau, keine Frage. Aber man darf nicht vergessen: Die Gründerzeithäuser, die wir heute alle so lieben, waren auch nicht gerade billig in der Errichtung. Dieses Bekenntnis zu Qualität würde ich mir heute öfter wünschen.
Ein Gegenbeispiel zu den ökologischen und hochwertigen Materialien, die Sie jetzt genannt haben, sind die Pseudomaterialien aus dem Baumarkt: Fliesen schauen aus wie Holz, Kunststoff sieht aus wie Stein, Keramik sieht aus wie Metall.
BÄRNTHALER: Das hat vor allem mit Trends und Moden zu tun. Wenn Holz gerade in ist, dann will der Kunde nicht nur Holz, sondern auch leistbare und technisch geeignete Holzimitate für die Küche und fürs Badezimmer. Hinzu kommt, dass die Produzenten, um am Markt zu reüssieren, gezwungen sind, jedes Jahr eine neue Kollektion herauszubringen. Sie müssen sich und ihre Produkte permanent neu erfinden.
EBNER: Es ist auch eine Frage der Verfügbarkeit. Natürliche Baustoffe wie bestimmte Hölzer und Steine sind nicht immer in der Menge vorhanden, wie der Markt sie benötigt. Dann müssen wir eben auf künstliche Weise nachhelfen und keramischen Kunststein produzieren. Aber ich sehe das nicht so negativ. Die Baustoffbranche entwickelt sich weiter, und viele dieser Pseudomaterialien sind sehr hochwertig und sehr intelligent im Einsatz.
WENKENBACH: Ich bin der Meinung: Man muss Neues wagen und bereit sein, zu experimentieren. Nur so entwickeln wir uns weiter.
EBNER: Problematisch wird es nur, wenn Erwartungshaltungen enttäuscht werden, wenn man gegen die Steinwand klopft und sich das Ganze dann leider anhört wie hohler Gipskarton.
Welche neuen Überraschungen kommen in Zukunft auf uns zu?
EBNER: Trends erzeugen Gegentrends. Und so überrascht es mich nicht, dass das Davongaloppieren in Zukunft immer mehr nach einem bodenständigen, archaischen Gegengewicht verlangt. Ich rechne mit einer zunehmenden Polarisierung der Baustoffe – einerseits digitale Oberflächen und Hightech-Baustoffe, andererseits Back-to-the-Roots-Materialien wie Holz, Stein, Leder und Polsterfüllungen mit Zirbenspänen.
BÄRNTHALER: Ich nehme wahr, dass in der Schweiz sehr stark daran gearbeitet wird, die Buche zu ertüchtigen. Buche ist ein Holz, das vergleichsweise billig ist und aufgrund der sich verlagernden Biodiversität in Zukunft immer stärker verfügbar sein wird. Mit Imprägnierungen wird versucht, die Buche fester, widerstandsfähiger und vor allem auch feuchtigkeitsresistenter zu machen. Ich denke, dass diese Entwicklung den Holzbau entscheidend mitprägen wird.
WENKENBACH: Ich denke, dass die auf uns zukommende Digitalisierung, die Planung mit BIM, der 3D-Druck und viele andere Technologien das Bauen immens verändern werden. Da sehe ich noch eine echte Revolution auf uns zukommen.
Abschlussfrage: Welches Material, welcher Baustoff müsste Ihrer Ansicht nach noch unbedingt erfunden werden?
BÄRNTHALER: Jan Turnovský hat sich eine Zigarette gewünscht, die dann aufplatzt und einen schwebenden, unsichtbaren Raum aufspannt. So ein Raum müsste erfunden werden!
EBNER: Ich träume von unsichtbaren Schallschutzwänden entlang der Autobahn. Schallschutzwände sind einfach eine Katastrophe. In keinem anderen Land prägen und stören sie die Landschaft in so hohem Ausmaß wie hier in Österreich.
WENKENBACH: Wir dürfen mit unserer Kreativität nie lockerlassen. Die Evolution darf nie abbrechen. Was heute reicht, reicht morgen nicht mehr.
Moderation und Text: Wojciech Czaja
Fotos: Lukas Ilgner
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